Stellungnahme und Argumentationshilfe zum "OFF-LABEL-USE" in der Kopfschmerztherapie
Vor zwei Jahren hat der Erste Senat des Bundessozialgerichtes entschieden, dass Arzneimittel außerhalb der zugelassenen Indikationsgebiete grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden können. Der Grund hierfür wurde damals so angegeben, dass die Zulassungsvorschriften zu einem erheblichen Teil ihre Bedeutung verloren, wenn in der GKV eine Erweiterung der Anwendungsgebiete eines Arzneimittels ohne Zulassung im Verfahren nach ¤135 Abs. 1 SGB V erreicht werden könne. Es wurden allerdings Ausnahmen formuliert:
Zum einen muss eine schwerwiegende, das heißt lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vorliegen. Zum zweiten darf keine andere Therapie verfügbar sein. Und zum dritten muss auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg kurativ oder palliativ zu erzielen ist.
Diese, den Kostenträgern entgegenkommende Rechtssprechung, wird in der täglichen klinischen Praxis zum Teil ad absurdum geführt. Eine Behandlung von Kindern ist nach dieser Rechtssprechung häufig nicht genausogut möglich wie bei Erwachsenen, das gleiche gilt zum großen Teil für Patienten jenseits des 65. Lebensjahres. Für den Clusterkopfschmerz (auch Suizidkopfschmerz genannt) gäbe es in der Akuttherapie nur das Sumatriptan, welches zugelassen ist, für die viel wichtigere prophylaktische Therapie ist seit Einführung der Löschlisten und somit Wegfall von Methysergid nur Lithium zugelassen. De facto ist Lithium in der modernen Therapie aber nur Mittel der zweiten Wahl. Generell gilt gerade für Spezialambulanzen, dass viele der eingesetzten Akut- oder Prophylaxemedikamente zwar gut wirken Ð aber nicht speziell für diese Indikation zugelassen sind. Im medizinischen Alltag besteht offenkundig ein dringendes Bedürfnis nach einem zulassungsüberschreitenden Einsatz von Arzneimitteln. Dem Erkrankten (Versicherten) dürfen unverzichtbare und erwiesenermaßen wirksame Therapien nicht vorenthalten werden. Im folgenden will die Deutsche Migräne und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) aus dem langjährigen Wissen und der Erfahrung der Spezialambulanzen heraus den niedergelassenen Kollegen eine Argumentation an die Hand geben, die es erlaubt, wissenschaftlich zu begründen, warum ein bestimmtes Medikament, das im übrigen häufig in den Therapieleitlinien der DMKG als Therapie der Wahl beschrieben ist, eingesetzt werden kann, obwohl die Indikation für diese spezielle Medikation und den speziellen Anwendungsfall nicht besteht.
Hierhin gehend sind wir bemüht, valide, klinische Studien oder Fallserien zu zitieren, da das Bundessozialgericht die oben genannte begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolge wie folgt definiert hatte:
Es müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies ist der Fall wenn eine Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist oder die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind, wenn eine klinisch relevante Wirksamkeit, respektive ein klinisch relevanter Nutzen unter vertretbaren Risiken belegt ist, oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über die Qualität und die Wirksamkeit des Arzneimittels in den neuen Anwendungsgebieten zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen. Über die Leitlinien der DMKG und DGN besteht darüber hinaus in den einschlägigen Fachkreisen ein Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne.
Für die tägliche Praxis werden desungeachtet lückenlos nachvollziehbare Krankenakten, das exakte Einhalten von Leitlinien sowie eine detaillierte Dokumentation aller Abläufe und der geringsten Abweichung von den Vorgaben zunehmend wichtig werden, will man einem Haftpflichtprozess entgehen. Zwar haben in der Rechtsprechung wirtschaftliche Überlegungen bei der juristischen Verantwortung von Ärzten und Krankenhausträgern noch keine wesentliche Rolle gespielt, dies kann sich jedoch ohne weiteres in Kürze ändern.
Auf der anderen Seite führen schablonenhafte Standards zu einer unzulässigen Einengung der Therapiemöglichkeiten und werden gerade in Einzelfällen, das heißt den Patienten mit besonders schwierigen oder komplizierten Krankheitsverläufen, den Erfolg der Behandlung und damit die Compliance gefährden.
Die Leitlinien der DMKG stützen sich nachdrücklich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und folgen damit den Kriterien der Evidenz basierten Medizin (EbM). Es müssen jedoch desungeachtet die ärztliche Erfahrung und die konkrete Situation des Patienten berücksichtigt werden. Gerade weil die jetzige Situation unbefriedigend ist, und gerade weil der behandelnde Arzt in jedem Fall bei OFF-LABEL Behandlung den schwarzen Peter behält, müssen die Patienten auf jeden Fall detailliert darüber aufgeklärt werden, dass sie außerhalb der zugelassenen Indikation behandelt werden sollen und das es sich nicht um einen bestimmungsgemäßen Gebrauch (§84 AMG) handelt.
Wichtig ist, dass eine mögliche Alternativlosigkeit dokumentiert wird und/oder dass zum Beispiel die zugelassenen Medikamente schon versucht und nicht vertragen wurden, oder nicht geholfen haben.
Weiterhin kann in der Argumentation gegenüber den Kassen wichtig sein, dass der behandelnde Arzt dokumentiert, auf Grund welcher Empfehlungen das Präparat eingesetzt werden soll. Hierfür haben wir die oben genannten wissenschaftlich fundierten Studienergebnisse und Empfehlungen in Leitlinien wissenschaftlicher Fachgesellschaften zusammengefasst und unterstreichen, dass damit ein maximaler Stellenwert der Entscheidung für die jeweils diskutierte Substanz gefunden werden kann. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der Arzt weiterhin auf eigene Verantwortung ein auf dem Markt verfügbares Arzneimittel für eine Therapie einsetzen kann, auch wenn es speziell für diese Erkrankung nicht zugelassen ist. Die ärztliche Therapiefreiheit bleibt damit grundsätzlich erhalten, jedoch mit dem Preis einer erhöhten eigenen Verantwortung für die Risiken und bei Kassenpatienten für die Kosten. Eine Verordnung außerhalb zugelassener Indikationsgebiete wird nur bei schwerwiegenden Erkrankungen von den Kassen erstattet, ärztliche Therapieversuche zu Lasten der GKV außerhalb dieser Definition sind prinzipiell nicht mehr möglich.
Wir hoffen, den Kopfschmerz interessierten Kollegen hiermit ein Instrument in die Hand geben zu können, das den klinischen Alltag zwar nicht ändert, aber Argumente liefert, die in juristisch zweifelhaften Situationen weiterhelfen.
1: Off-Label-Use in der Behandlung des Cluster Kopfschmerz: In Deutschland nicht zugelassene Medikamente zur Prophylaxe und Akuttherapie deren Wirksamkeit belegt ist (Medikation Dosis Referenz):
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2: Off-Label Use in der Behandlung von Gesichtsschmerz und Gesichtsneuralgien: In Deutschland nicht zugelassene Medikamente, deren Wirksamkeit belegt ist (MEdikation Dosis Referenz):
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3: Off-Label-Use in der Behandlung von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen: In Deutschland nicht zugelassene Medikamente, deren Wirksamkeit belegt ist (Medikation Dosis Referenz):
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4: Off-Label-Use in der Behandlung von Migräne: In Deutschland nicht zugelassene Medikamente zur Prophylaxe der Migräne deren Wirksamkeit belegt ist (Medikation Dosis Referenz):
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