Migräne und offenes Foramen Ovale - Was ist gesichert?

Einleitung

In den letzten Jahren wird zur Therapie idiopathischer Kopfschmerzsyndrome immer häufiger über interventionelle oder operative Verfahren nachgedacht. Hintergrund bei Migräne ist unter anderem die Beobachtung, dass Patienten mit Migräne und einem offenen Foramen ovale (PFO) über einen Rückgang der Migräne nach Verschluss des PFO berichtet haben. In dieser Übersicht sollen vor allem die Zusammenhänge von Migräne mit einem PFO und der bisherige Kenntnisstand über die Wirksamkeit eines Verschlusses dieses PFO dargestellt werden.

Migräne und PFO

Bereits in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts sind Hinweise publiziert worden, dass bei Dekompression von Tauchern migräneartige Kopfschmerzen auftreten können (6). Im Jahre 1972 wurde dann die Hypothese aufgestellt, dass Migräne möglicherweise eine pulmonale Erkrankung sei, bei der es durch falsche/fehlende Shunt-Mechanismen zur Attackeninitiierung kommt (16). Diese Hypothesen sind bis zum Ende der 90er Jahre nicht weiter verfolgt worden.

In mehren epidemiologischen Studien konnte dann gezeigt werden, dass Migräne und PFO miteinander assoziiert sind (7,8,11,12,15,18-20). Dabei lag die Prävalenz der Migräne bei Patienten mit einem PFO zwischen 11% und 58% (Tab. 1), wobei für diese Fragestellung bislang nur zwei Fall-Kontroll-Studien durchgeführt worden sind. Diese Prävalenzzahlen liegen höher, als aus den bevölkerungsepidemiologischen Studien angenommen werden kann. Patienten mit einem PFO zeigen eine sehr hohe Prävalenz einer Migräne mit Aura, und umgekehrt war die Prävalenz eines PFO bei Migränepatienten durchschnittlich mehr als doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Migräne (Tab. 2). Auch hier war die Migräne mit Aura deutlich stärker betroffen als die Migräne ohne Aura (1,4,5,17,21).

Besonders große PFO sind bei Migränepatienten häufiger anzutreffen (17,20). Außerdem wurde in einer kleineren epidemiologischen Studie auch gezeigt, dass eine überzufällig häufig gemeinsame, am ehesten autsosomal-dominante Vererbung eines PFO mit Migräne auftritt (22). Möglicherweise spielt hier auch die erhöhte Rate von pulmonalen Shunts bei Migräne eine Rolle (13,14).

Problematisch an all diesen Studien ist, dass sie zum einen einen Selektionsbias aufweisen. Es handelt sich nicht um bevölkerungsepidemiologische Studien, sondern z.B. um Studien, die Patienten mit einem Schlaganfall, der ja bei Jüngeren mit einer erhöhten Migräneprävalenz einhergeht, eingeschlossen haben. Andere Studien haben Patienten, die einen anderen klinischen Grund für ein PFO-Screening aufgewiesen haben, oder Kollektive aus Kopfschmerzambulanzen eingeschlossen. Weiterhin ist problematisch, dass fast alle Studien die Patienten retrospektiv aus ihren Datenbänken evaluiert haben und nicht konsekutiv prospektiv.

Schließlich muss kritisch angefragt werden, wie ein PFO evaluiert worden ist. Allein aus der Tatsache, dass in der Gehirnzirkulation ein Rechts-Links-Shunt vorliegt, kann nicht auf einen kardialen Shunt geschlossen werden, es können auch pulmonale Shunts vorliegen. Ein PFO muss nicht zwingend mit einem Shunt einhergehen, es kann auch isoliert morphologisch und funktionslos existieren. Dann muss zwischen einem PFO und anderen atrioseptalen (ASD) oder sogar ventrikuloseptalen Shunts unterschieden werden. Außerdem kann zusätzlich ein Vorhof-Septum-Aneurysma vorliegen. Alles dies ist in den meisten Studien nicht differenziert worden.

Nebenbei sei angemerkt, dass in zwei italienischen Studien bei Patienten mit Clusterkopfschmerz (n=40 und n=30) mit 37% bzw. 43% ebenfalls erhöhte Prävalenzzahlen für einen Rechts-Links-Shunt gefunden worden sind (7,10).

Verschluss eines PFO und Migräne

Eine Reihe von Observationsstudien hat untersucht, inwieweit der Verschluss eines PFO Einfluss auf die Migräne nimmt. Die erste Publikation dazu wurde von Wilmshurst et al. (21) publiziert, die zufällig bei Tauchern die Beobachtung gemacht hatten, dass diese nach einem prophylaktischen Verschluss des PFO zur Vermeidung von kompressionsbedingten Embolien auch über einen Rückgang ihrer Migräne berichteten.

In der Folgezeit sind mehrere ähnliche Studien publiziert worden (2,3,8,9,11,15,18), die nahezu einheitlich eine deutliche Besserung der Migräne nach Verschluss eines PFO gezeigt haben (Tab. 3). Dabei sind Raten von Beschwerdefreiheit zwischen 29% und 60% für einen Observationszeitraum von 3 bis 12 Monaten berichtet worden. Zusätzlich ist es bei der überwiegenden Mehrzahl der Betroffenen auch zu einer deutlichen Beschwerdelinderung gekommen. Die Migränefreiheit nach Verschluss eines PFO war in einigen Studien ausgeprägter bei Patienten, die vor dem Verschluss eine Migräne mit Aura hatten, als bei denen mit einer Migräne ohne Aura.

Alle diese Studien sind aus mehreren Gründen kritisch zu beurteilen. Zum einen handelt es sich fast ausschließlich um offene, retrospektive und nicht-randomisierte Studien, die sowohl einem Selektions- als auch einem Erinnerungsbias unterliegen. Weiterhin haben die Patienten nach einem Verschluss für mindestens drei Monate einen Thrombozytenaggregationshemmer erhalten, in den ersten Studien Acetylsalicylsäure (ASS), in den späteren Clopidogrel. Für ASS zumindest ist eine migräneprophylaktische Wirkung nachgewiesen, die zu dem Effekt beigetragen haben kann. Schließlich ist die Evaluation des Effekts eines Verschlusses des PFO auf die Migräne mit unterschiedlichen Kriterien erfolgt. Teilweise wurde die Attackenfrequenz pro Monat ermittelt, teilweise wurden Scores berechnet, in die die Attackenfrequenz, die Intensität und auch andere Symptome mit eingegangen sind. Interessanterweise berichtet eine Studie (11) über eine ausgeglichene Zahl von Patienten, bei denen die Migräne nach der Intervention gänzlich sistierte und bei denen die Migräne nach der Intervention erstmals auftrat. In allen Observationsstudien sind keine nennenswerten Zwischenfälle und Nebenwirkungen bzw. Folgererscheinungen der Intervention berichtet worden. Dies bestätigt, dass der Katheterverschluss eines PFO inzwischen ein Routineverfahren geworden ist.

Die MIST-Studie

Den kritischen Aspekten der oben beschriebenen Observationsstudien hat die sogenannte MIST-Studie (MIST = Migraine Intervention with STARFlex® Technology) Rechnung getragen, deren Ergebnisse 2006 gleichzeitig auf dem US-amerikanischen Kardiologie-Kongress und auf dem Kongress der European Headache Federation erstmals präsentiert und im Jahr 2008 vollständig publiziert worden sind.

In diese Studie wurden Migränepatienten mit einem PFO aufgenommen. Nach Evaluation der Migräne und des PFO erfolgte randomisiert entweder ein Katheterverschluss des PFO oder ein Scheineingriff, d.h. eine Katheteranlage ohne Verschluss des PFO. Nach dem Eingriff erhielten alle Patienten für drei Monate ASS und/oder Clopidogrel. Die Studie wurde in Großbritannien durchgeführt und von den dortigen Ethikkommissionen genehmigt. Insgesamt wurden 463 konsekutive Migränepatienten rekrutiert, die sich auf Anzeigen hin gemeldet hatten. Von diesen hatten 163 ein ausreichend großes PFO, 147 von ihnen wurden randomisiert (74 Intervention, 73 Placeboverfahren).

Das primäre Zielkriterium war völlige Freiheit von Migräne sechs Monate nach der Intervention. Dies wurde von 4% in der Interventionsgruppe und von 4% in der Placebogruppe erreicht. Da dieser Unterschied offensichtlich nicht signifikant war, ist die Studie als primär negativ interpretiert worden. Als sekundäres Zielkriterium wurde die Attackenreduktion definiert. Diese betrug in der Interventionsgruppe –1,6 und in der Placebogruppe –1,0. Auch hier konnte kein signifikanter Effekt der Intervention nachgewiesen werden. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden bei 10 (davon 6 studienbezogen) Patienten in der Interventionsgruppe und bei 6 (davon 3 studienbezogen) Patienten in der Placebogruppe berichtet, darunter ein Schlaganfall (minor stroke) während des Eingriffs, der in der Placebogruppe auftrat.

Die MIST Studie muss auch deshalb kritisch beurteilt werden, da sie initial im sekundären Endpunkt als signifikant dargestellt worden war, dann aber in einer erneuten Analyse keine signifikanten Ergebnisse erzielt wurden. Außerdem hat es um die Publikation und um die Validität der Ergebnisse beim Shunt-Verschluss Auseinandersetzungen gegeben, die zu einem Rückzug des verantwortlichen Kardiologen aus der Studie geführt haben.

Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es wohl einen epidemiologischen Zusammenhang zwischen der Migräne und einem PFO gibt, obwohl hierzu noch einige Fragen offen sind. Diese Assoziation ist bei Migräne mit Aura stärker ausgeprägt als bei Migräne ohne Aura. Die Prävalenz eines PFO ist bei Migränepatienten etwa gesehen ca. doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung.

Ein pathophysiologischer Zusammenhang ist bislang nicht bekannt. Es gibt nur Hypothesen über die möglichen Mechanismen, wie ein PFO eine Migräneattacke initiieren könnte. Es ist auch möglich, dass es sich um ein schlichtes ontogenetisches Phänomen handelt.

In offenen retrospektiven Studien wurden z.T. eindrucksvolle Besserungen der Migräne nach Verschluss eines PFO berichtet. In einer prospektiven randomisierten Studie konnte dieser Zusammenhang in Bezug auf Freiheit von Migräne nicht bestätigt werden. Hier bleiben weitere Studien abzuwarten, ob wirklich eine Effektivität dieses Verfahrens vorliegt und ob es sich um einen spezifischen Effekt des Verschlusses eines PFO oder um einen Effekt der Beeinflussung des Rechts-Links-Shunts handelt. Zudem muss untersucht werden, ob die eventuelle therapeutische Effektivität in einem angemessenen Verhältnis zur Invasivität des Eingriffs steht.

Bislang gibt es für den Verschluss eines PFO zur Behandlung der Migräne außerhalb von kontrollierten klinischen Studien keine wissenschaftliche Grundlage.

Literatur:

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Prävalenz der Migräne bei Patienten mit einem PFO

MMA = Migräne mit Aura
MOA = Migräne ohne Aura
nd = keine Daten angegeben
./. = nicht untersucht

Häufigkeit des PFO bei Patienten mit Migräne (n gibt die Zahl der untersuchten Migränepatienten an).

a alle Migräneformen
b Vergleich MMA mit Kontrollen
c bei Schlaganfall: 34% (21% bei juvenilem Schlaganfall)
MMA = Migräne mit Aura
MOA = Migräne ohne Aura
nd = keine Daten angegeben
./. = nicht untersucht

Veränderungen der Migräne über 3-12 Monate nach Verschluss eines PFO in verschiedenen Studien

° Migränegesamtprävalenz vor Verschluss 29% und nach Verschluss 27% °
° Daten z.T. bereits in Onorato (2003) und in Morandi (2003) berichtet
o = offen
r = retrospektiv
p = prospektiv
MMA = Migräne mit Aura
MOA = Migräne ohne Aura
nd = keine Daten angegeben