Therapie des Spannungskopfschmerzes

Klinisches Bild des Spannungskopfschmerzes
Der Spannungskopfschmerz ist neben der Migräne einer der häufigsten Kopfschmerz. Die meisten Patienten suchen deswegen keinen Arzt auf. Der Spannungskopfschmerz zeichnet sich typischerweise durch beidseitige drückende Kopfschmerzen aus. Sie fühlen sich oft so an, als habe man einen zu engen Hut auf oder als sei der Kopf in eine Schraubzwinge gespannt. Die Schmerzen sind meist leicht bis mittelstark und verstärken sich nicht durch körperliche Aktivitäten wie Treppensteigen. Allenfalls eine leichte Licht- oder Lärmüberempfindlichkeit kann auftreten, niemals beides zusammen (wie oft bei der Migräne), ebenso sind Übelkeit oder Erbrechen untypisch. Die mit Abstand am häufigste Verlaufsform ist die episodische, bei der es weniger als 12 Tagen/Jahr zu Kopfschmerzen kommt, die zwischen 30 Minuten bis 7 Tagen andauern. Tritt der Spannungskopfschmerz an mindestens 15 Tagen pro Monat auf, so spricht man von einem chronischen Spannungskopfschmerz (Tabelle 1).

Vor der Therapie
Zunächst sollte die Diagnose des Spannungskopfschmerzes durch einen Arzt gestellt werden. Hierfür ist ein Kopfschmerzkalender sehr hilfreich. Nach einer körperlichen Untersuchung kann dann die Diagnose meist gestellt werden, gelegentlich müssen noch weitere Untersuchungen wie eine Kernspintomographie des Schädels angefertigt werden. Wichtig ist, nicht zuviel Zeit bis zum Beginn einer wirksamen Therapie verstreichen zu lassen, damit die Kopfschmerzen nicht chronisch werden.

Therapie des episodischen Spannungskopfschmerzes
Beim episodischen Spannungskopfschmerz steht die Behandlung von einzelnen Kopfschmerzattacken im Vordergrund, für die sich Analgetika wie Paracetamol, Acetylsalicylsäure (Aspirin®) und Ibuprofen empfehlen. In Kombination mit Koffein kann die Wirksamkeit von Schmerzmitteln deutlich gesteigert werden (z.B. Thomapyrin®). Ebenfalls gut wirksam, aber ohne Gefahr von Nebenwirkungen durch zu häufigen Schmerzmittelgebrauch ist die örtliche Anwendung von Pfefferminzöl auf den Schläfen und dem Nacken. Bei Kindern ist auch Flupirtin wirksam, wobei die Substanz bei Erwachsenen mit Spannungskopfschmerz nicht untersucht wurde. Bei häufig auftretenden episodischen Spannungskopfschmerzen kann es sinnvoll sein, auf nichtmedikamentöse Therapieverfahren wie Biofeedbackverfahren oder Entspannungsübungen zurückzugreifen.

Therapie des chronischen Spannungskopfschmerzes
Bei chronischen Spannungskopfschmerzen ist es wichtig, die Einnahme von Akutschmerzmitteln auf ein weniger als 10 Tage im Monat zu begrenzen, da sonst die Gefahr eines durch zu häufige Schmerzmitteleinnahme bedingten Kopfschmerzes droht (eines sogenannten Medikamentenübergebrauchskopfschmerzes). Zudem wirken diese Mittel bei chronischen Verlaufsformen oft nicht so gut wie bei episodischen Verläufen. Die Wirksamkeit kann erst nach 1-2 Monaten sicher beurteilt werden. Deshalb ist es nötig, die Medikamente über diesen Zeitraum konsequent einzunehmen, sofern Nebenwirkungen dies nicht verhindern. Wenn nach diesem Zeitraum eine gute Wirkung beobachtet wird, sollten die Medikamente für etwa ein halbes Jahr eingenommen werden und dann langsam ausgeschlichen werden. Bei vielen Patienten beobachtet man dann anhaltende Effekte auch über das Absetzen hinaus. Bei der Auswahl des richtigen Präparates sollten auch begleitende Erkrankungen berücksichtigt werden. So zeigen viele Patienten mit einem chronischen Spannungskopfschmerz auch depressive Symptome, so dass hier ein Antidepressivum sinnvoll ist.

Goldstandard in der medikamentösen Therapie des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp (Tabelle 3) bleiben die tri- bzw. tetrazyklischen Antidepressiva, allen voran Amitriptylin bzw. die eng verwandte Substanz Amitriptylinoxid. Hierzu wurden die meisten Studien publiziert. Eine deutlich schlechtere Datenlage besteht für die übrigen tri- und tetrazyklischen Antidepressiva wie Clomipramin, Imipramin, Doxepin, Mianserin und Maprotilin. Einschränkend gilt, dass diese älteren Antidepressiva oft schlechter vertragen werden und Probleme wie Mundtrockenheit, Müdigkeit und Gewichtszunahme auftreten können. Deshalb ist ein langsames Aufdosieren wichtig: 10-25 mg in der ersten Woche, dann pro Woche um 25 mg steigern auf max. 75 mg pro Tag. Da die meisten älteren Antidepressiva müde machen, empfiehlt sich die Einnahme abends. Nicht geeignet sind diese Medikamente für Patienten mit bekannten Herzrhythmusstörungen, grünem Star (Glaukom), Prostatavergrößerung mit Restharnbildung, Demenzen und bekannter Epilepsie.

Unter den Mitteln der 2. Wahl befinden sich zahlreiche weitere meist neuere Antidepressiva, wobei hier die Datenlage zur Wirksamkeit schlechter ist. Die beste Wirksamkeit haben hier sicherlich Mirtazapin, Venlafaxin und Sulpirid. Mirtazapin eignet sich gut für Patienten mit begleitenden Schlafstörungen, da es wie die o.g. tri- und tetrazyklischen Antidepressiva müde macht. Venlafaxin dagegen wirkt eher aktivierend. Sulpirid kann bei Patienten mit begleitendem Schwindel hilfreich sein.

Mögliche Alternativen sind daneben Valproat und Topiramat, die zur Behandlung von Epilepsien entwickelt wurden (Antiepileptika), aber auch bei der Migränebehandlung mit gutem Erfolg eingesetzt werden. Auch Tizanidin, was zur muskelentspannenden Therapie (Muskelrelaxans) z.B. bei Rückenschmerzen eingesetzt wird, ist bei chronischem Spannungskopfschmerz wirksam. Durch Kombination mit Amitriptylin kann man die Wirksamkeit weiter erhöhen. Opioiden (z.B. Morphin) können aufgrund der aktuellen Studienlage nicht empfohlen werden, zumal typische Nebenwirkungen (wie z.B. Verstopfungen) und Toleranzentwicklung oft zum Therapieabbruch führen. Auch eine Behandlung mit Botolinumtoxin, welches in die Gesichts- und Nackenmuskeln injiziert wird, konnte in mehreren kontrollierten Studien seine Überlegenheit gegenüber einem Placebopräparat nicht belegen und wird nicht empfohlen.

Unter den nichtmedikamentösen Verfahren sind vor allem das Biofeedback und die Entspannungsübungen wirksam. Beim Biofeedback wird dem Patienten eine Rückmeldung über Körperfunktionen gegeben, die normalerweise nicht bewusst wahrgenommen werden, wie z.B. die Muskelanspannung des Schläfenmuskels beim EMG-Biofeedback. Als Entspannungsübung bietet sich vor allem die progressive Muskelrelaxation an. Wichtig ist hier vor allem eine regelmäßige Anwendung. Ebenfalls sehr effektiv sind kognitiv-behaviorale Programme, wie Stressmanagement. Auch wenn Effekte dieser nichtmedikamentösen Verfahren oft erst nach längerer Zeit (verglichen mit medikamentöser Therapie) einsetzen, so halten sie dafür auch länger an. Akupunktur zeigte (ebenso wie Scheinakupunktur, d.h. Akupunktur an anderen als den traditionellen Punkten) eine bessere Wirkung als die Warteliste auf einen Termin. Auch gibt es Hinweise auf einen Nutzen von physiotherapeutische Maßnahmen und von körperlichen Übungsprogrammen beim chronischen Spannungskopfschmerz.

Literatur

  • Straube A, May A, Kropp P, Katsarava Z, Haag G, Lampl C, et al. Therapie primärer chronischer Kopfschmerzen: Chronische Migräne, chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp und andere chronische tägliche Kopfschmerzen. Evidenzbasierte Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft und der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft. Nervenheilkunde 2007;26: 186– 199.

  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (2008): Therapie des episodischen und chronische Spannungskopfschmerzes und anderer chronischer täglicher Kopfschmerzen. 

  • Fumal A, Schoenen J. Tension-type headache: current research and clinical management. Lancet Neurol 2008; 7:70-83

Tabelle 1: Diagnostische Kriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft

Episodischer Spannungskopfschmerz

A.   Wenigstens 10 Episoden, die die Kriterien B-D erfüllen und
durchschnittlich an <1 Tag / Monat (<12 Tage / Jahr) auftreten
B.   Die Kopfschmerzdauer liegt zwischen 30 Minuten und 7 Tagen
C.   Der Kopfschmerz weist mindestens 2 der folgenden Charakteristika auf:
  1.  beidseitige Lokalisation
  2.  Schmerzqualität drückend oder beengend, nicht pulsierend
  3.  leichte bis mittlere Schmerzintensität
  4.  keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen
D.   Beide folgenden Punkte sind erfüllt:
  1.  Keine Übelkeit oder Erbrechen (Appetitlosigkeit kann auftreten)
  2.  Licht- oder Lärmempfindlichkeit, nicht jedoch beides kann vorhanden sein
E.   Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen


Chronischer Spannungskopfschmerz

A.   Ein Kopfschmerz, der die Kriterien B-D erfüllt, tritt an durchschnittlich ≥15 Tagen / Monat über mindestens 3 Monate (mindestens 180 Tage / Jahr) auf
B.   Der Kopfschmerz hält für Stunden an oder ist kontinuierlich vorhanden
C.   Der Kopfschmerz weist mindestens 2 der folgenden Charakteristika auf:
  1.  beidseitige Lokalisation
  2.  Schmerzqualität drückend oder beengend, nicht pulsierend
  3.  leichte bis mittlere Schmerzintensität
  4.  keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen
D.   Beide folgenden Punkte sind erfüllt:
  1.  Höchstens eines ist vorhanden: milde Übelkeit oder Licht- oder Lärmempfindlichkeit
  2.  weder Erbrechen noch mittlere bis starke Übelkeit
E.   Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen

Tabelle 2: Therapie des episodischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp

Medikament   Evidenz   Dosierung (pro Tag)
Schmerzmittel        
Acetylsalicylsäure (ASS, z.B. Aspirin)   ↑↑   500-1000 mg
Paracetamol (z.B. Benuron®)     500-1000 mg
Ibuprofen (z.B. Dolormin®)   ↑↑   400-800 mg
Naproxen     500-1000 mg
Metamizol (z.B. Novalgin®)   ↑↑   500-1000 mg
ASS+Paracetamol+Koffein   ↑↑   250+250+65 mg
         
Sonstiges        
Pfefferminzöl lokal (Schläfe, Nacken)      
Flupirtin (z.B. Katadolon®); nur für Kinder belegt und zugelassen!     100-300 mg
Biofeedback, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson   (↑)    
Stressbewältigungstraining   (↑)    
Physiotherapie   (↑)    

 

Tabelle 3: Therapie des chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp

Medikament   Evidenz   Dosierung (pro Tag)
1. Wahl        
Amitriptylin (z.B. Saroten®)   ↑↑   25-150 mg
Doxepin (z.B. Aponal®)     25-150 mg
Maprotilin      
Imipramim (z.B. Tofranil®)   (↑)   30-150 mg
Clomipramin (z.B. Anafranil®)   (↑)   25-150 mg
Mianserin (z.B. Tolvin®)   (↑)   30-90 mg
         
2. Wahl        
Antidepressiva      
Mirtazapin (z.B. Remergil®)     15-30 mg
Venlafaxin (z.B. Trevilor ret.®)     150-225 mg
Sulpirid (z.B. Dogmatil®)     200-400 mg
SSRI (Citalopram, Fluoxetin, Paroxetin)   (↑)   20-40 mg
Moclobemid (z.B. Aurorix®)   (↑)   300 mg
Antiepileptika        
Valproat (z.B. Ergenyl ret.®)     50-1500 mg
 Topiramat (z.B. Topamax®)     50-100 mg
Muskelrelaxantien        
Tizanidin (z.B. Sirdalud®)   ↑↑   4-6 mg
Botulinumtoxin (z.B. Botox®)   ↓↓    
         
Nichtmedikamentöse Verfahren        
Entspannungstraining (progressive Muskelrelaxation nach Jacobson)      
Biofeedback      
Stressbewältigungstraining (v.a. in Kombination mit Antidepressivum)      
Akupunktur      
Physiotherapie      

 

Zurück